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Writer's pictureChris Holscher

Tech-Startups müssen über den "Höhle der Löwen Moment"​ hinaus denken

Updated: Sep 9, 2022

Neue Forschungsergebnisse der University of Edinburgh Business School. Das vollständige Forschungspapier wurde unter dem Titel “From Pitching to Briefing: Extending Entrepreneurial Storytelling to New Audiences” in der Zeitschrift Organization Studies veröffentlicht.


Sie kennen wahrscheinlich das Szenario aus "Höhle der Löwen", wenn ein Startup vor Investoren um Finanzierung wirbt. Weniger vertraut sind Sie vermutlich mit dem, was Tech-Startups im B2B-Segment als Nächstes tun müssen: Man könnte es den 2nd Pitch nennen. Gemeint sind Briefings für Industrieanalysten. Denn deren Einschätzungen sind entscheidend dafür, ob Tech Produkte von Unternehmenskunden ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Experten der University of Edinburgh Business School, zeigen, dass viele junge Technologieunternehmen immer noch an genau dieser Hürde scheitern. Eine Know-how Lücke, die zu schließen sich lohnt.

Die Ergebnisse von Professor Neil Pollock und Duncan Chapple gründen auf Dutzenden von Interviews mit aktuellen und ehemaligen Industrieanalysten, mit Gründern und jungen Unternehmern, sowie auf einer Fülle von Daten aus Konferenzen, Blogs, Anbietervergleichen und Marktberichten.

Heute gibt es weltweit mehr als 700 Analystenhäuser mit Fokus auf den Technologiesektor. Die Dimensionen der Branche werden durch die beiden größten Anbieter Gartner und Forrester ahnbar, die zusammengenommen weltweit etwa ein Viertel aller Analysten beschäftigen und einen Umsatz von 5 Milliarden Dollar erzielen. Diese Firmen erzielen den Großteil ihrer Umsätze mit dem Verkauf von Untersuchungsergebnissen, Einschätzungen und Dienstleistungen, die Technologiekäufern helfen, die Fülle an Produkten und die spezifischen Fähigkeiten der Anbieter zu verstehen und Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Entscheidender Vorsprung

Professor Pollock verdeutlicht anhand eines Beispiels, wie auch vielversprechende Unternehmen am Versäumnis einer effektiven Zusammenarbeit mit Industrieanalysten scheitern können:

"Eine Anekdote zeigt, dass viele Unternehmen den Schlüsseleffekt des "2nd Pitch" zu wenig kennen und verstehen. Sie beschreibt das gegensätzliche Schicksal zweier vielversprechender Software-Unternehmen, das eine aus Glasgow, Schottland, und das andere aus Chicago, USA. Obwohl die Technologie des schottischen Unternehmens als genauso gut oder gar besser als die der amerikanischen Konkurrenz angesehen wurde, sagten uns Brancheninsider, dass die Schotten den Durchbruch wahrscheinlich nicht schaffen würden. Das US-Unternehmen konkurrierte nämlich bereits erfolgreich mit den Giganten seiner Branche um große Aufträge, die Schotten hingegen nicht.

Der wesentliche Vorsprung der Amerikaner war entstanden, indem das US-Unternehmen von Anfang an bei Industrieanalysten vorstellig geworden war und so schon früh in einflussreichen Branchenberichten und -Rankings auftauchte. Das schuf nicht nur Präsenz sondern qualifizierte Reputation. Im Gegensatz dazu hatte das Unternehmen aus Glasgow kaum eine Vorstellung davon, wie es sich bei Industrieanalysten präsentieren sollte oder wer überhaupt die relevanten Köpfe in diesem Marktsegment waren."

Ein Investoren Pitch ist kein Analysten Briefing

Industrieanalystenfirmen werden mit Briefing-Anfragen von aufstrebenden Unternehmen geradezu bestürmt. Alleine das größte Analystenhaus, Gartner, berichtet, dass seine Analysten jedes Jahr über 12.000 Briefings erhalten - kostenfrei für beide Seiten. Und wenn ein Technologieanbieter das Informationsniveau und Interesse der Analysten aufrecht erhalten will, muss er diese mindestens alle paar Monate auf dem Laufenden halten.

Professor Pollock erklärt, warum es wichtig ist, regelmäßig zu informieren:

"Wir befinden uns im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie, und B2B Tech Startups konkurrieren mit zahlreichen vielversprechenden Anbietern weltweit um die knappe Aufmerksamkeit der Analysten. Wer häufiger mit Industrieanalysten interagiert - und sie durch Briefings über seine Aktivitäten auf dem Laufenden hält - bleibt mit seiner Strategie und seinen Fähigkeiten im Gedächtnis. Das hilft wenn die Analysten Anbietervergleiche erstellen, Marktberichte schreiben und Endkunden als Ratgeber dienen."

Die im Rahmen der Studie befragten Industrieanalysten führten ihrerseits aus, dass Gründer im Technologiebereich gerne davon sprechen, die Welt verändern zu wollen, und in ihrem Enthusiasmus schockiert sind, wenn ein Analyst dazu kritische Fragen stellt. Um einen Analysten zu zitieren:

"Skepsis gegenüber ihrer Strategie oder ihrer Markteinschätzung zu äußern (…) ist in etwa so, als würde man ihr Baby als 'hässlich' bezeichnen."

Die Experten empfehlen, dass Technologieunternehmen die Grundmotivation von Industrieanalysten besser verstehen müssen:

"Der Hype ist ein typisches Merkmal des digitalen Sektors. Anbieter preisen ihre Produkte bei Briefings an, um sich vom Wettbewerb abzuheben. Aber Analysten erkennen das natürlich und wissen damit umzugehen.

Unerfahrenen Unternehmen ist oft nicht klar, wonach Industrieanalysten bei der Präsentation tatsächlich suchen. Sie präsentieren dann etwas, das bei ihren Investoren funktioniert hat. Aber ein Investoren-Pitch ist kein Analysten-Briefing."

Nachweislich mehr Neukunden und Investitionen

Am spannendsten sind natürlich konkrete Auswirkungen auf Erfolgsfaktoren wie das Gewinnen von Neukunden und Investoren. Noch einmal Professor Pollock:

"Unsere Untersuchungen zeigen, dass besser informierte Unternehmen oder solche, die sich von Spezialisten für Industry Analyst Relations helfen lassen, besser abschneiden. IAR Spezialisten beraten und unterstützen Technologieunternehmen beginnend bei der Identifikation und Auswahl der passenden Analysten über die Ausarbeitung von Briefings bis zur weiterführenden strategischen Zusammenarbeit . Tatsächlich muss ein Unternehmen oft mehrere Analysten briefen, bevor es die Experten findet, die das Unternehmen im Wettbewerb als interessant genug einstufen, um es weiter zu verfolgen."

Wenn Startups daraus für ihre Zusammenarbeit mit Industrieanalysten lernen würden und ihren Briefing-Stil effektiver machten, könnten mehr junge und aufstrebende Tech-Unternehmen eine entscheidende Hürde für die Marktetablierung nehmen.

"Diese Briefings sind essentiell. Sie sind ein entscheidender Teil der Skalierung und der Internationalisierung. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Unternehmen, die gezielt investieren, um Industrieanalysten und spezifische Anforderungen der Zusammenarbeit zu verstehen, mehr Neukunden gewinnen, weitere Investitionen anziehen und internationale Märkte erreichen.

Der Analyst ist dabei vor allem an Fragen rund um die angebotenen Produkte interessiert. Die best-bewerteten Unternehmen sagten uns, der Schlüssel sei es, den Analysten schrittweise so sehr zu 'interessieren', dass er eine Begeisterung für das Produkt entwickelt und es in der Branche zum Maßstab erhebt.

Während Analystenbriefings zunehmend online stattfinden, ist es typisch, dass die Interaktionen zwischen Startup und Analyst darüber hinausgehen. Analysten suchen auch das persönliche Gespräch mit den Unternehmern. Diejenigen, die bereits von Analysten-Publikationen profitiert haben, erzählten uns, wie wichtig es ist, gute "altmodische Beziehungen" aufzubauen. Zwar wird die Persönlichkeit des Gründers die Beurteilung seines Unternehmens im "2nd Pitch" nicht herumreißen, aber ein Gefühl für unternehmerische Charakterzüge kann entscheidendes Vertrauen untermauern - oder eben nicht."

Es scheint also, dass bei aller Automatisierung in der Wirtschaft immer noch - und vielleicht gerade deswegen - menschliches Urteilsvermögen erforderlich ist, um neue Technologieprodukte und Anbieter erfolgreich zu machen.

Die gezielte Zusammenarbeit mit Industrieanalysten erweist sich dabei als ein Erfolgsschlüssel, den mehr Startups kennen, verstehen und nutzen sollten. Früh, strategisch und systematisch.

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